LARIFARI
Kapitel 57 Wenn man nicht alles selber macht Teil 02
Jörg wollte ich in dieser Diskussionsrunde außen vor lassen. Ich brauchte Antworten, ich brauchte eine Entscheidung. Dieser Austausch war so interessant, dass
ich eine Zusammenfassung Jörg per E-Mail sandte, mit der Anmerkung, dass ich große Zweifel hege, an dem, was wir taten. Auch, dass ich darüber nachdenke,
alles hinzuwerfen. Seine Antwort überraschte mich nicht. Anscheinend überflog er meine Zeilen flüchtig. Denn hätte er sich mit diesem Schreiben
auseinandergesetzt, wären ihm nicht Sätze entsprungen, wie „Und heißt das, Jameson ist tot?“ oder zu den Hintergründen meiner Zweifel „Verursacht von
einem (einzigen!) Meinungsträger. Hmm. Und was ist mit den anderen 84. Mio. in Deutschland? Sorry, diese (nur 1/10 davon) werden bezahlen, diese wollen das
sehen und sind für den Content, Deinen und meinen, und die Botschaften darin, empfänglich. „ Ich denke, er verstand nicht, dass dies mein letzter Strohalm
war, an den ich mich klammerte. Vielleicht wollte er es auch nicht verstehen.
Ohne Jörg meine Absichten anzukündigen und ohne Plan begann ich zu schreiben. Meine Gedanken kreisten um Dinge, die mich am bisher Geschriebenen
störten, und denen, die ich mochte. Nur all zu gut erinnerten mich einzelne Sätze oder ganze Szenen an die vielen Diskussionen, an die Kompromisse oder
meine Einwände während der unzähligen Schreibtermine. Aber auch, welche Ideen ich damals entwickelte. Stephan zeigte mir durch seine Worte einen Weg,
welche Fehler vermieden werden können, warum eine Geschichte funktioniert und was am Theater umsetzbar ist und was nicht. Interessanterweise deckten
sich diese mit meinen Anspruch, wie unser Theaterstück hätte geschrieben werden können. Drei Wochen lang bearbeitete ich in jeder freien Minute mein neues
Manuskript, bevor eine erste Version fertig gestellt war. Ich strich Szenen, fügte neue hinzu und gab den Charakteren einen persönlichen Hintergrund. Auf
Jörg´s Ideen und die Dinge, an denen er sich klammerte, nahm ich diesmal keine Rücksicht. Am Ende hatte ich eine Geschichte, die den Grundcharakter unseres
Manuskriptes behielt, jedoch eine andere, flüssigere und nachvollziehbare Erzählung war.
Und was bedeutete das? Ich war wieder mittendrin, statt es als erledigt zu betrachten. Prima.
Nachdem ich Anfang Dezember Stephan und Nina meine Version sandte und umfangreiche positive Rückmeldungen erhielt, schickte ich kurz vor Weihnachten
auch Jörg diese Vorlage. Ich erläuterte ihm in einem Begleitschreiben meine Beweggründe und gab Kommentare zu vereinzelten Inhalten zum Besten. Da ich
wusste, dass er zwischen den Jahren in den Urlaub fuhr, nahm ich an, dass er sich die Zeit nähme, es zu lesen. Bereits die Wochen bis dahin nutzte ich, um den
Anmerkungen und Hinweisen zu folgen, die mir Stephan und Nina recht ausführlich darlegten. Somit passe ich derzeit einige Szenen an und überarbeite das
Libretto abermals.
Nach Monaten des Nichtstuns, nach Jahren endloser Diskussionen nahm ich einschneidende Veränderungen vor, die auch den Fortlauf unserer Folgearbeiten
beeinflussen werden. Nach den vielen Fragen, die sich uns innerhalb des Projektes stellten, wie es weitergehen kann, schaffte ich diese Grundlage. Auf
wiederholt gestellte Fragen, was funktioniert und was nicht, erhielt ich Antworten. Würde es mich, als Initiator eines solchen Projektes nicht interessieren,
welche Wendung mein Projekt, meine Idee erhalten hat? Anscheinend sieht es Jörg nicht so, denn ich erhielt bis heute, Mitte Januar, keinerlei Reaktion. Das
verstehe, wer will...
04.02.2012 Die erneuten Änderungen am Manuskript bereiten mir Kopfzerbrechen. Ich weiß zwar, wo Fehler vorlagen, was zu viel und was zu wenig war und an
welchen Stellen die Dramaturgie überarbeitet werden muss, aber ich komme nur langsam vorwärts. Ich schleppe mich von Szene zu Szene, von Dialog zu
Dialog. Ich möchte Feinarbeit betreiben, um möglichst wenig am Ende feilen zu müssen. Wenn ich nicht aufpasse, zieht wieder viel Zeit ins Land. Ich möchte an
der Musik arbeiten.
Stephans und Ninas Anmerkungen helfen mir außerordentlich, meine Überlegungen und Überarbeitungen in Worte zu fassen. Stephan war mit seinen
Ausführungen recht pragmatisch, da er das Stück in der Enge eines kleinen Theaters vor sich sieht. Das hilft mir zwar, Einschränkungen eines Theaters
nachzuvollziehen, aber begrenzt auch ungemein den Ideenfluss. Ich versuche eine Art von Mittelweg zu finden. Eine für mich optimale Version. Mit Luft nach
oben und nach unten.
Lustigerweise schrieb Nina in unserem Gedankenaustausch immer vom „Ideengeber“ Jörg und riet mir, mich von den vielen negativen Dingen, die passiert sind,
zu lösen. Wenn das so einfach wär. Immer wieder fällt mir der Satz ein ...lass es uns aufschreiben, streichen können wir immer noch... Dieser Satz hat viele
meiner Ideen blockiert und sie in eine andere Richtung gelenkt. Hätte tatsächlich ein Ideengeber existiert, abgesehen von mir, Nina, oder den anderen, die
kurzzeitig daran mitwirkten, wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. Diese Art von Korrektur, oder Neugestaltung unseres Librettos empfinde ich mehr als
Schadensbegrenzung der letzten Jahre. Die vielen Schreibtermine mit Jörg verfallen immer mehr zu Übungsstunden und zur Degradierung eines Lernprozesses,
wie man es nicht macht.
Zirka sieben Wochen sind vergangen, seit ich Jörg meine erste Überarbeitung sandte. Vor zwei Wochen bat er mich, ihm das Manuskript erneut zuzusenden, da
es in den Untiefen seines Computers angeblich verloren gegangen sei. In seinem Urlaub wollte er sich nicht damit befassen. Er meinte, er bräuchte ein wenig
Abstand von der Arbeit. Ich frage mich, warum er diese halbe oder höchstens dreiviertel Stunde, die man zum Lesen braucht, nicht aufbringt? Fürchtet er sich,
dass sein Werk nicht mehr das ist, was er sich wünschte? Hat er sein Interesse endgültig verloren? Die letzte schriftliche Fassung, abgesehen von den Arbeiten
an den Musikstücken, liegt bald 4 Jahre zurück. Im April 2009 beschloss ich, das Manuskript einzufrieren, damit ich andere Arbeiten erledigen könne. Ist sein
Freizeit-Projekt nun plötzlich Arbeit? Vor allen Dingen, wessen Arbeit? Er hat in den letzten Jahren nichts dazu beigetragen. Ihm wurden ausschließlich
Ergebnisse geliefert. Ergebnisse, die andere erarbeiteten und Zeit investierten. Nina schrieb einige Kapitel des Buches. Ich schrieb Musik und Texte. Seine
Aufgabe war es nur noch, sie zu konsumieren, sich eine Meinung zu bilden und diese kund zu tun. Ich spekulierte nicht darauf, dass er es zeitnah lesen wird. Ich
hoffte es nur. Seinetwillen. Er hatte diese Idee. Er war der Initiator. Ich werde nicht mehr lange brauchen, um die zweite Version fertig zu stellen. Er hat die
Chance verpasst, mir seine Eindrücke zu vermitteln. Somit wird auch die zweite Überarbeitung allein von mir bestimmt werden. Ich bot ihm zumindest die
Möglichkeit. Ich bin inkonsequent.